Die Heilkraft der Muskulatur
Regelmäßiges Muskeltraining ist gut für Körper, Geist und Seele
Wer regelmäßig ins Fitnesscenter ging, um seine Muskeln zu trainieren, dem konnte es vor Jahren durchaus
passieren, dass er von weniger sportlichen Bekannten belächelt wurde. „Viel Muskeln – wenig Hirn“ lautete ein
beliebtes Vorurteil, das Bewegungsmuffeln wohl eher als Ausrede für die eigene Bequemlichkeit dienen sollte.
Muskelprotze wirkten abschreckend durch ihr Machogehabe. Gewichte zu stemmen, das war etwas für Leistungssportler
und natürlich für Gewichtheber. Mittlerweile ist erwiesen, dass regelmäßiges Muskeltraining auch geistig fit und
hält. Schon ist „Von der Renaissance des Krafttrainings“ die Rede und das einstmals in Verruf geratene Trainieren
mit Gewichten wird sogar im Rahmen von Rehamaßnahmen empfohlen. Redakteur Robert Thielicke fasste für Focus die
neuesten Forschungsergebnisse zusammen. (https://www.focus.de/gesundheit/gesundleben/fitness/tid-10278/muskeln-starkes-stueck_aid_299029.html.)
Krafttraining eignet sich auch für kranke und ältere Menschen
Selbst Herzkranke dürfen und sollen nach ärztlicher Anweisung und unter physiotherapeutischer Anleitung ein
leichtes Krafttraining absolvieren. Ältere Menschen, die sich guter Gesundheit erfreuen, dürfen gerne noch mehr tun
für ihre körperliche Fitness. Mehrere Forschungsreihen belegten, dass die Gehirnleistung sportlich aktiver
70jähriger eher der von 30jährigen ähnelt, als den Werten von untrainierten Gleichaltrigen. Ursache dafür dürfte
ein Neurotrophin namens BDNF sein, welches anregend auf das Wachstum der Nervenzellen wirkt. Lange Zeit nahmen die
Wissenschaftler an, dieser Botenstoff würde nur vom Gehirn selbst produziert. Heute weiß man, dass auch
kontraktierendes Muskelgewebe diese Substanz ausschüttet, die das Denkvermögen erhöhen und vor Alzheimer schützen
soll. Das Center for Health Studies in Seattle führte eine Langzeitstudie mit 1740 Senioren durch. Bei der Gruppe,
die dreimal die Woche für 15 Minuten trainierte, war das Risiko an Demenz zu erkranken um 30-40 % gesenkt gegenüber
der inaktiven Kontrollgruppe.
Regelmäßiges Muskeltraining schützt vor Diabetes und Übergewicht
Bengt Saltin ist Leiter am Muskelforschungszentrum in Kopenhagen. Sein Institut ist führend in Europa. Er und
seine Mitarbeiter lassen die Probanden Krafttraining machen oder Radfahren. Unterdessen zapfen sie Blut ab und
entnehmen Gewebeproben. Ein 50-köpfiges Forscherteam versucht dadurch die Geheimnisse der Muskulatur zu ergründen.
Medizinerin Bente Karlund Petersen betont, dass bestimmte, lokal wirkende Botenstoffe der Schlüssel zur Bekämpfung
zahlreicher Krankheiten sind. Durch regelmäßige und intensive Bewegung werden Interleukine und über 50 weitere
Substanzen ausgeschüttet, die den Stoffwechsel anregen, Übergewicht abbauen, das Immunsystem stärken und damit
Erkrankungen vorbeugen. Das Peptidhormon Interleukin 6 regt nicht nur den Fettabbau an, sondern wirkt
entzündungshemmend, in dem es die Kommunikation zwischen Leukotyten und Makrophagen steuert. Außerdem verbessert es
die Aufnahme des Blutzuckers in den Muskelfasern, was dem Entstehen von Diabetes entgegenwirkt.
Molekularbiologe Kenneth Walsh betreibt Stoffwechselforschung an der Universität von Boston. Er nennt als Grund
für Übergewicht den zunehmenden Bewegungsmangel im mittleren Lebensalter. Pro Jahrzehnt verliert ein Untrainierter
ab dem dreißigsten Lebensjahr durchschnittlich 3 Kilogramm an Muskelmasse. Doch Muskelfasern haben einen hohen
Energieumsatz. Fehlen sie, so setzt man bei gleichbleibender Ernährung Fett an. Eine Studienreihe am Kopenhagener
Forschungszentrum stützt diese These. Man begrenzte die körperliche Aktivität einer Gruppe von Studenten auf ein
Mindestmaß. Nach nur zwei Wochen hatten die Probanden im Schnitt 1,2 Kilogramm an Muskelmasse abgenommen. Zugleich
sammelten sich Fettablagerungen im Bauchbereich. Blutzuckertests zeigten, dass die Zellen schlechter auf Insulin
reagierten. „Zuckerkrankheit beginnt im Muskel“ bringt Jürgen Steinacker von der Universität Ulm es auf den
Punkt.
Fitnesstraining senkt den Blutdruck und hält jung
Der Kieler Sportmediziner Burkhard Weisser betont den Zusammenhang von Bewegungsmangel und Bluthochdruck. Die
Forschungsergebnisse zeigten, dass bei leichter Hypertonie schon sechs bis zwölf Wochen Training die Gabe von
blutdrucksenkenden Medikamenten ersetzen können. Ursache ist die Entstehung neuer Gefäße im Muskel. Das und die
Erweiterung der „alten“ Blutgefäße lassen das Blut besser zirkulieren. Wer als eingefleischter Bewegungsmuffel noch
einen weiteren Grund braucht, um das Sofa zu verlassen, den könnten die Forschungsergebnisse von Weissers dänischem
Kollegen Michael Kjaer überzeugen. Muskeltraining stärkt die Knochen und lindert Gelenkbeschwerden. Und es wirkt
wie ein Jungbrunnen. Durch die Bewegung wird Kollagen ausgeschüttet, das Bindegewebe und Haut strafft. Zudem wirkt
regelmäßiges Krafttraining stimmungsaufhellend.
|